Appell der verwaisten Eltern an unserem Mitmenschen 


Mitmenschen, nehmt uns Trauernde an. Geht behutsam mit uns um, denn wir sind schutzlos. Die Wunde in uns ist noch offen und weiteren Verletzungen preisgegeben. Wir haben so wenig Kraft, um Wiederstand zu leisten. Gestattet uns unseren Weg, der lang sein kann. Drängt uns nicht, so zu sein wie früher, wir können es nicht. Denkt daran, dass wir in Wandlung begriffen sind. Lasst euch sagen, dass wir uns selbst fremd sind. Habt Geduld! Wir müssen die Frage nach dem Sinn unseres Lebens stellen. Wir haben die Sicherheit verloren, in der ihr noch lebt. Ihr haltet uns entgegen, auch wir haben Kummer. Doch wenn wir euch fragen, ob ihr unser Schicksal tragen möchtet, erschreckt ihr. Aber verzeiht: Unser Leid ist so übermächtig, dass wir oft vergessen, das es viele Arten von Schmerz gibt. Ihr wisst vielleicht nicht, wie schwer wir unsere Gedanken sammeln können. Wir hören euch zu, aber unsere Gedanken schweifen ab. Nehmt uns an, wenn wir von unserer Trauer zu sprechen beginnen. Wir tun nur dass was in uns drängt. Wenn wir eure Abwehr sehen, fühlen wir uns unverstanden und einsam. Mag sein, dass wir unsere Verstorbenen vollendeter machen, als sie es waren, aber Fehler zuzugestehen fällt uns schwer. Zerstört nicht unser Bild. Glaubt uns, wir brauchen es so. Versucht euch in uns einzufühlen. Glaubt daran, dass unsere Belastbarkeit wächst. Glaubt daran, dass wir eines Tages mit neuem Selbstverständnis leben werden. Euer Zu-Trauen stärkt uns auf diesem Weg. Wenn wir es geschafft haben unser Schicksal anzunehmen, werden wir euch freier begegnen. Jetzt aber zwingt uns nicht mit Wort und Blick, unser Unglück zu leugnen. Wir brauchen eure Annahme. Vergesst nicht, wir müssen so vieles von neuem lernen. Unsere Trauer hat unser Sehen und Fühlen verändert. Bleibt an unserer Seite. Lernt von uns für euer eigenes Leben.

(Verfasser mir unbekannt)